Bauprodukte: Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff!
Hier gibt es bezüglich der eingesetzten Materialien und den damit verbundenen Umweltauswirkungen große Unterschiede.
Was ist der Mehrwert von halogenfreien Kunststoffen?
Halogenfreie Produkte benötigen keine Weichmacher, keine halogenierten Flammschutzmittel und keine Schwermetall-Stabilisatoren als Zusätze zum Kunststoff. Im Brandfall entstehen daher keine ätzenden (Salzsäure) bzw. umwelt- und gesundheitsschädlichen Verbrennungsprodukte, wie z.B. giftige Dioxine. Gleichzeitig sind halogenfreie Produkte "low smoke", das heißt die Rauchgasdichte ist im Brandfall etwa 10 Mal niedriger als bei PVC-Elektrobränden. Dadurch erleichtern solche Produkte vor allem auch die Orientierung im Brandfall und verlängern das Zeitfenster für erfolgreiche Flucht- bzw. Rettungsmaßnahmen. Außerdem verringern sie die Gefahr einer Rauchgasvergiftung erheblich, welche für weit mehr Todesfälle verantwortlich ist, als Verbrennungen.
Zudem sind Betriebsstillstände nach einem Brand ein unterschätzter Kostenfaktor. Schon kleine Brände können Abschaltungen oder signifikante Störungen verursachen (z.B. durch die Entstehung von Salzsäure beim Abbrennen von PVC-hältigen Kunststoffen), die in der Regel zu hohen Folgekosten führen. Denn die korrosiven Gase sind nicht nur eine Gefahr für die Gebäudenutzer*innen, sondern auch für alle elektrischen Bauteile (IT, Aufzüge, Rolltreppen, Steuerungen usw.) und Tragwerke (Beton- und Stahlbewehrungskorrosion).
Inzwischen haben viele Branchen diese Gefahr erkannt und verwenden halogenfreie Produkte für ihre Installationen. Für Bauvorhaben mit höherem Risikopotenzial (U-Bahnen, Kraftwerke, Krankenhäuser, Flughäfen etc.) werden halogenfreie Materialien schon jetzt standardmäßig verwendet.
ÖkoKauf Wien (Beschaffungsprogramm der Stadt Wien) wie auch der Nationale Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung (naBe) des Bundes sehen verpflichtend eine halogenfreie Elektroinstallation vor. Diese ist seit 2009 auch als Standardtext (statt wie zuvor PVC) in der standardisierten Leistungsbeschreibung Haustechnik (StLB-HT) des Wirtschaftsministeriums verankert. Trotzdem ist sowohl im öffentlichen als auch im privaten Hochbau die halogenfreie Ausführung derzeit noch die Ausnahme bei Neubau und Sanierung von "Standardgebäuden".
Das "TQB" (Total Quality Building)-Gebäudezertifikat der ÖGNB (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) sowie die klima:akiv Gebäudebewertung haben halogenfreie Elektroinstallationsmaterialien als wichtiges Bewertungskriterium für nachhaltige Gebäude erkannt und vergeben dafür zusätzliche Zertifizierungspunkte. Ist das betreffende Produkt mit dem Österreichsichen Umweltzeichen für Bauprodukte aus Kunsstoff ausgezeichent, werden nochmals zusätzlich Punkte vergeben.
Die ehemalige Umweltzeichenrichtlinie „Kanalrohre aus Kunststoff“ wurde erst kürzlich um zahlreiche Produktgruppen erweitert. So sind nun auch
- Hausinstallationsrohre
- Wasserversorgungsrohre
- Hausabflussrohre
- Kabelschutzrohre
- Kabelabdeckplatten
- Leerverrohrungen
- Dosen für Elektroinstallation
- Schalter, sowie
- Kabel und Leitungen
von der neuen Richtlinie UZ41 „Bauprodukte aus Kunststoff“ erfasst. Gemeinsames Merkmal all jener Produkte ist, dass sie frei von halogenierten organischen Verbindungen sind und dort, wo es technisch möglich und seitens der Gebrauchstauglichkeit erlaubt ist, Alternativen als Ersatz zum Primärkunststoff eingesetzt werden. Das sind z.B. mineralische Füllstoffe wie Talkum oder Recyclate aus Kunststoff.