Durch Bildung gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung übernehmen
Christian Pladerer vom Österreichischen Ökologie-Institut ist seit 2008 Berater und Prüfer für das Österreichische Umweltzeichen. Dabei betreut er u.a. alle 3 Richtlinien des Bildungsbereichs. Er gab dem VKI ein Interview darüber, wie Beratungen und Audits ablaufen und was die Zertifizierung den Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft bringt.
Wie sind Sie zum Österreichischen Umweltzeichen-Netzwerk gestoßen?
Das Österreichische Ökologie-Institut als gemeinnütziger Forschungsverein ist seit Beginn an Mitglied des Umweltzeichen-Beirats. Ich bin seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ökologie-Instituts und seit 2002 Teil der Institutsleitung und Vorstandsmitglied. 2008 haben ein Kollege und ich uns entschieden, die Ausbildung als Berater und Prüfer für das Umweltzeichen für Schulen zu absolvieren. Hinzu kamen dann die Tätigkeiten für außerschulische Bildungseinrichtungen und seit 2017 auch für Kindergärten. Mittlerweile kann ich auf über 60 Beratungen und Prüfungen für den Bereich Bildung zurückblicken. Weiters bin ich auch im Bereich Tourismus, Green Meetings und Events, Green Producing und Mehrweggebinde als Gutachter, Prüfer und Berater in ganz Österreich unterwegs.
Was sind Ihre Aufgaben als Berater und wie legen Sie die Beratungen an?
Interessierte Schulen, Bildungseinrichtungen oder Kindergärten melden sich bei mir, wenn sie bspw. bei einer Infoveranstaltung des Umweltministeriums mehr über das Umweltzeichen erfahren haben. Dabei wird ihnen neben den Inhalten und Anforderungen der Richtlinien auch der BeraterInnenpool in ihrer Region präsentiert. Normalerweise nehme ich eher Beratung in Wien, NÖ und Burgenland an. Auch in anderen Bundesländern war ich schon als Berater tätig. Prüfungen führe ich in ganz Österreich durch und seit Corona ggf. auch online. Es kommt natürlich vor, dass Bildungseinrichtungen mich im Netz finden oder im Rahmen von anderen Projekten oder Events kennen lernen und mich um Unterstützung zur Umsetzung des Umweltzeichens anfragen.
Der erste Schritt in der Beratung ist das persönliche Kennenlernen der Akteure, um die Wichtigkeit der Bildung eines Umweltzeichenteams zu verdeutlichen. Umweltzeichen ist Teamsache! Beim Erstgespräch versuche ich mir einen Überblick zu schaffen, was bereits alles umgesetzt wird und wo noch Aktivitäten gesetzt werden müssen. Wir versuchen auch gemeinsam im Team festzulegen, welche Schwerpunkte für die Erstprüfung gewählt werden sollen. Ein Standardsatz in meiner Beratung lautet: „Wenn wir die Muss-Kriterien umzusetzen können, werden wir auch die notwendigen Sollpunkte erreichen.“ Der Sollpunktebereich ist ein wichtiger Ideenspender dafür, die Stärken von Bildungseinrichtungen zu entdecken und wo sie bei den Folgeprüfungen noch punkten können. Es ist empfehlenswert, sich bei der Erstprüfung vor allem auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Ich lege Wert darauf, dass ich als Begleiter und Unterstützer im Prozess agiere und erläutere, wie die Kriterien umzusetzen und nachzuweisen sind. Hier sind meine Erfahrung und Tipps gefragt.
Unterscheidet sich die Beratung in Kindergärten, in Schulen und in Bildungseinrichtungen für Erwachsene?
Die Beratungen sind sich im Grunde sehr ähnlich. Es geht um Teambildung, Pädagogik, Ernährung, Kommunikation und technische Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes. Zielführend ist die aktive Einbindung möglichst vieler Beteiligter in Bildungseinrichtungen: Kinder, Jugendliche, PädagogInnen, MitarbeiterInnen und ggf. auch Eltern. Mir ist es besonders wichtig, dass die Bildungseinrichtung ihre eigenen Stärken erkennt und diese als Einstieg in den Umweltzeichenprozess nützt. Fast alle Einrichtungen setzen bereits vor einer Beratung viele ökologisch, gesundheitlich oder sozial relevante Projekte und Maßnahmen um. Sie wissen es oft noch nicht bzw. haben diese Aktivitäten nicht dokumentiert. Eines ist für mich für alle Bildungsformen wesentlich – die Kommunikation sowohl nach innen als nach außen.
Was setzen verschiedene Bildungseinrichtungen mit dem Umweltzeichen um?
Ein Schwerpunkt sind die pädagogischen Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung mit den SDGs - Sustainable Development Goals. Dabei geht es auch um Fragen des respektvollen Miteinanders und des sozialen Klimas. Die Auseinandersetzung der Leitung, des Umweltzeichenteams und vor allem der beteiligten Kinder und Jugendlichen mit Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes sind wichtig. U.a. richtiges Mülltrennen, Abfallvermeiden, Lüften oder Lichtabdrehen. Die Bildungseinrichtung muss sich z.B. mit einer zukunftssicheren Energieversorgung beschäftigen: Kommen erneuerbare Energieträger zum Einsatz, und wenn nein, wie kann das mittelfristig geändert werden?
Gibt es 2 oder 3 Best Practice Beispiele hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz?
Ich möchte hier nicht spezielle Bildungseinrichtungen herausstreichen, sondern prinzipiell gute Praktiken nennen. Wenn bspw. das Gebäude neu errichtet oder thermisch saniert wird, haben viele Bildungseinrichtungen auf ihre Erhalter großen Einfluss ausgeübt, dass Kriterien des Nachhaltigen Bauens berücksichtigt werden. Viele Bildungseinrichtungen entsprechen mittlerweile den Kriterien des Gebäudestandards klimaaktiv. Viele Einrichtungen haben ihre Beschaffung völlig umgestellt und kaufen nur mehr nachhaltige, ökologisch verträgliche Reinigungsmittel, Hygiene- und Druckpapiere oder andere Produkte und Dienstleistungen. Aber vor allem Beispiele, wo SchülerInnen ein Projekt gestartet haben, um ein Schulbuffet in Richtung biologisch, saisonal, regional, vegan/vegetarisch umzustellen, sind zu erwähnen.
Gibt es 2 oder 3 Best Practice Beispiele hinsichtlich Förderung der Gesundheit?
Nochmals die Ernährung – von der gesunden Jause, über einen ausgewogenen Mittagstisch bis hin zur richtigen Auswahl im Getränkeautomaten. Ein regionaler Bio-Apfelsaft in Mehrwegglasflaschen ist Zuckerwasser in Aludosen vorzuziehen. Denn für das Umweltzeichen gibt es nicht: „Das geht nicht“. Alles geht, wenn man will, oft nicht morgen aber vielleicht übermorgen. Die körperliche Gesundheitsförderung ist in diesem Zusammenhang auch zu nennen. Von aktiver Bewegung in Pausen bis hin ergonomischen Sitz- und Schreibeinrichtungen.
Gibt es 2 oder 3 Best Practice Beispiele hinsichtlich Förderung der Bildungsqualität?
Durch die Einbindung von umweltrelevanten Themen in den Unterricht und die Forcierung von Lehr- und Lernmethoden einer Bildung für nachhaltige Entwicklung werden das Verständnis für ökologische Zusammenhänge gefördert und Möglichkeiten zum ökologischen Handeln aufgezeigt. Dieses Verständnis wird in den Schulalltag integriert und dient als Anregung für den persönlichen Alltag. Die Bildungsqualität steigt - davon bin ich überzeugt - wenn sich die Einrichtungen im Rahmen ihres Leitbilds, Qualitäts- oder Bildungsprogramms die Inhalte des Umweltzeichens zum Thema machen.
In welcher Weise fördert das Umweltzeichen die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele 2030 (SDGs)?
Nachhaltiges und umweltfreundliches Handeln setzt Wissen voraus. Wissen wird an Bildungsstätten vermittelt, und zwar sowohl an Kinder und Jugendliche als auch an Erwachsene. Als Zeichen, dass dieses Handeln dort auch gelebt wird, gibt es die Zertifizierungsmöglichkeit. Damit eine Schule, ein Kindergarten oder eine Bildungseinrichtung das Österreichische Umweltzeichen erhält, muss sie Maßnahmen aus dem Umweltmanagement aber auch der Umwelt- und Gesundheitsbildung umsetzen und wird dadurch den Anforderungen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gerecht. Durch alle 4 Jahre wiederkehrende Prüfungen entwickeln sich die Bildungseinrichtungen mit stets neuen Schwerpunkten weiter. Alle Bildungseinrichtungen können während der Umsetzungsphase durch eigens ausgebildete BeraterInnen des Österreichischen Umweltzeichens unterstützt werden.
Was können Sie über die Förderung von Beratungen erzählen?
Zum Glück gibt es eine Förderung in den einzelnen Bundesländern, die zwar unterschiedlich sind, aber im Großen und Ganzen vor allem Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen die Erlangung zur Auszeichnung mit dem Umweltzeichen leichter ermöglichen.
Seitenwechsel: Was sind Ihre Aufgaben als Prüfer und wie legen Sie die Audits an?
Bei einer Umweltzeichenprüfung hat man nicht die Möglichkeit, die Bildungseinrichtungen so gut kennenzulernen wie als Berater. Trotzdem erlaubt mir diese wunderbare Tätigkeit viele tolle Bildungseinrichtungen in ganz Österreich kennenzulernen. Durch die userfreundliche Software (Anm. für Schulen) ist es für mich als Prüfer möglich, schon im Vorfeld die Unterlagen und Nachweise zu prüfen und vor allem die schriftlichen Kommentare und Beschreibungen zu lesen. Beim Audit selbst lege ich viel Wert darauf, dass möglichst viele aus dem Umweltzeichenteam dabei sind, zumindest teilweise. Der Ablauf des Audits beginnt mit einer Vorstellungsrunde. Danach mache ich mir bei einem ausführlichen Rundgang ein Bild über die Umsetzung der Umweltzeichen-Kriterien. Abschließend schauen wir uns die offenen Punkte an. Prinzipiell sehe ich das Audit als weiteres Beratungsgespräch im Umweltzeichenprozess.
Können Sie uns über besondere Erfahrungen und Erlebnisse bei Prüfungen berichten?
Vielen Schulen und Kindergärten bereiten sich liebevoll auf den Termin vor. Man erkennt sofort, wie das Umweltzeichen gelebt wird. Es gibt Audits mit Begrüßung durch den gesamten Schulchor mit einem eigens für die Umweltzeichenprüfung einstudierten Umweltsong. Ich habe aber auch schon Audits allein mit dem Schulleiter im Direktionskammerl erlebt. Die Einbindung der Kinder/Jugendlichen, ggf. Eltern, Lehrenden und nichtlehrenden Personen sowie der Leitung ist mir sehr wichtig.
Was bringt das Umweltzeichen einzelnen Bildungseinrichtungen?
Die Teambildung wird mir oft als eines der größten Benefits im Rahmen des Umweltzeichenprozess genannt. Der Prozess führt dazu, dass Umweltprojekte, -aktivitäten und -maßnahmen, Exkursionen, Events etc. effizienter geplant und auch besser kommuniziert werden. Oft kommt es zu Kosteneinsparungen durch Energiesparen und bessere Mülltrennung.
Was bringt das Umweltzeichen der Gesellschaft?
Vor allem, wenn Gebäude saniert oder neuerrichtet werden, spielen Nachhaltigkeit bei der Bauausführung bis hin zur Wahl der geeigneten erneuerbaren Energieträger eine wesentliche Rolle. Häufig sind Kosteneinsparungen durch eine bessere Wartung und Steuerung von Heizungs- Lüftungs- oder Solaranlagen möglich.
Besonders für Eltern ist das Umweltzeichen ein Garant dafür, dass sie für ihre Kinder einen Kindergarten oder eine Schule ausgesucht haben, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und ein nachhaltiges Bildungskonzept verfolgen. Durch das Umweltzeichen signalisieren Bildungseinrichtungen, dass ihnen Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig ist. Das ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für sie: Denn künftige SchülerInnen bzw. deren Eltern aber auch die KundInnen der Bildungseinrichtungen schauen sich die Vielfalt der Bildungsangebote sehr genau an.
Wie könnte das Umweltzeichen noch besser werden?
Ich wünsche mir eine bessere Breitenwirkung des Umweltzeichens. Dazu gehört auch für weitere Richtlinien eine userfreundliche Software für Prüfungen einzuführen, wie es sie z.B. für Schulen oder Tourismus gibt. Ich würde die Kommunikation nach innen und vor allem nach außen noch mehr wertschätzen und auch als Muss-Kriterium festhalten.
Das Österreichische Umweltzeichen gibt es heuer seit 30 Jahren. Was wünschen Sie dem Umweltzeichen zum 30iger?
Als fade Antwort könnte ich weitere 30 erfolgreiche Jahre sagen. Was ich mir aber für das Umweltzeichen generell wünsche, ist dass es als Instrument gar nicht mehr nötig ist, da alle Bildungseinrichtungen und Betriebe die Kriterien des Umweltzeichen von sich aus umsetzen oder dazu gesetzlich verpflichtet werden. Aber bis dahin ist das Umweltzeichen das einzige nationale Umweltgütesiegel als unabhängiges Unterscheidungsmerkmal.
Danke Christian Pladerer für das Interview, und weiterhin viel Erfolg!
Die Fragen stellte Arno Dermutz vom VKI.
Zur Person:
DI Christian Pladerer Tel. +43 699 1523 6101 pladerer@ecology.at
Vorstand Österreichisches Ökologie-Institut, www.ecology.at
Gesellschafter der pulswerk gmbh, www.pulswerk.at
Lektor New Design University, St. Pölten
Lektor FH Campus Wien, FH Wiener Neustadt – Campus Tulln
Umweltzeichenberater- und -prüfer für einige Richtlinien des Österreichischen Umweltzeichens